Redebeitrag auf der Demonstration am 13.12.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen.

Willkommen im Gefahrengebiet! Für die heutige Demonstration hat uns eine Dr. Nadja Maurer Stichworte geliefert und ich möchte ihr hierfür ausdrücklich danken. Ohne sie müssten wir über Polizeigewalt, strukturellen Rassismus und den verschiedenen Formen der Repression reden; Themen von denen die meisten von uns schon be- und getroffen wurden.

Natürlich lässt sich das alles zum tausendsten Mal behandeln; ungemein erfrischender aber ist das Folgende allemal. Beauftragt wurde Doc Maurer von der FOSPOL.

Diese geheimnisvolle Abkürzung steht für “Forschungsstelle für strategische Polizeiforschung“. Das hört sich ziemlich profan an, macht die Mauerer aber umgehend wett, indem sie eine Arbeit mit einem echten Monster von Überschrift raushaut:

Achtung:

MULTI-STAKEHOLDER-KONFLIKTANALYSE IM STADTRAUM: “BALDUINTREPPE“

Dahinter verbirgt sich nicht weniger als eine (Zitat) “Konfliktanalyse Februar bis Mai 2021 um die Situation für alle Akteure im Sozialraum nachhaltig zu verbessern.“

Wenn ich euch im Gefahrengebiet St. Pauli willkommen habe, so ist das wohl falsch. Richtiger befinden wir uns laut Dr. Maurer, im (Zitat): “Sozialraum St. Pauli-Süd“. Dieser Sozialraum ist zugepackt mit Bullen, uniformiert oder zivil, mit unterschiedlichen Dienstgraden aus verschiedenen Kasernen und Wachen, mit Schusswaffen, Knüppeln, Handschellen ausgerüstet mit dem unmissverständlichen Auftrag den Sozialraum St. Pauli Süd aufzuräumen.

Leider möchte der Sozialraum St. Pauli Süd das nicht und macht das mit unterschiedlichen Handlungen auch deutlich.

In dererlei Situationen reagiert die Polizei in einem Sozialraum wie hier mit,

a) noch mehr Polizei, erweiterten Rechten für die Beamten, verstärkter Bewaffnung derselben, sowie mit reichlich Observation. Falls das immer noch nicht wirkt, werden Menschen wie Frau Doktor Mauerer beauftragt, mit

b) der Erforschung dieser vertrackten Situation. Also den Bullen erklären, warum alle im Sozialraum sie mindestens irgendwie doof finden.

Die Grundlagen ihrer Analyse sind unter anderem (Zitat),

  • Regelmäßige und kontinuierliche Sozialraumbegehungen zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten. Strukturierte Beobachtung, Protokollierung.
  • Besuch von Kundgebungen
  • Durchführung von 30 semistrukturierten, qualitativen Interviews
  • Teilnehmende Beobachtung und Besuche im zuständigen PK15
  • Gespräche mit Polizisten, Anwohnern, und zivilgesellschaftlichen Akteuren.“

Frau Doktor. Sie haben also auch Kundgebungen besucht um, tja, um eigentlich welche Erkenntnisse in ihre Analyse einfließen zu lassen?

Dass es Menschen gibt, die von der Polizei drangsaliert, verprügelt, belästigt und observiert werden? Dafür braucht man ein Studium?

Und so richtig mit ihnen reden wollten nur wenige der Anwohner*innen? Crazy. Warum wollten die das nicht? Ewiges Rätsel Anwohner*innen aus dem Sozialraum St. Pauli Süd.

Erfreulicherweise standen nicht alle Menschen ihrer Arbeit für die Forschungsstelle strategische Polizeiforschung so ablehnend gegenüber. Wie sie schreiben zeigte sich (Zitat), “die Polizei in weiten Teilen sehr kooperativ und konstruktiv. Vor allem an der Wache nahm man sich viel Zeit und es wurden proaktiv Vorschläge gemacht, mit wem es sich noch lohnen würde zu sprechen.“

Die Polizei war also dabei hilfreich eine Analyse für die Akademie der Polizei zu erstellen? Sachen gibt’s. Da bekommt der schöne Satz von der Polizei, die dein Freund und Helfer ist, nochmal eine ganz andere Bedeutung.

Noch so eine Überraschung (Zitat), “der Konflikt lässt sich nicht auf lokaler Ebene bearbeiten.“ Für sie neu hingegen ist nämlich (Zitat), “dass es Geschehnisse (gibt), die sich woanders ereignen, stärker ins Bewusstsein geraten und sich zu einem Narrativ verdichtet (…), das eine strukturelle Faktizität nahelegt. Befragte nannten als aktuelle Beispiele den NSU-Komplex, die Tötung des Afroamerikaners George Floyd in
Minneapolis 2020, oder die fehlgeleiteten Ermittlungsfährten der Morde in Hanau.“

Das, was für sie neu ist, ist uralt. Wir nennen es Solidarität.

Und nichts für ungut, aber für den Satz von den “fehlgeleiteten Ermittlungsfährten der Morde in Hanau“ haben sie eine Schelle verdient.

Vermutlich gibt es dann Ärger mit ihren Beamten. Aber das ist dann meine private Tasse Tee, weil (Zitat) “Die befragten Polizisten sahen (das, ihre Arbeit), insgesamt viel weniger eine vertikal verlaufende Konfliktlinie als die Anwohner. Dies könnte damit zu tun haben, dass sie an ihrem Arbeitsplatz fokussiert sind auf polizeiliche Aufgabenerfüllung und konkrete Situationen nicht wie viele Bürger vor Ort in einen politischen Kontext stellen.

Frau Doktor, falls sie zu abschließenden Feldstudien hier anwesend sein sollten, lassen sie mich ihnen mit drei brandneuen Erkenntnissen weiterhelfen:

Wir sind fokussiert.

Wir stellen das, was hier täglich passiert in einen politischen Kontext.

Wir sind – egal wo – solidarisch mit allen die unter Polizeigewalt und Repression zu leiden haben.

In diesem Sinne Happy 13.12.!
Ganz Hamburg hasst die Polizei!