Keine „Polizei“ im Quartier. Forschungsbericht Nr. 1312

Konzept: Keine „Polizei“ im Quartier. Forschungsbericht Nr. 1312

Kurz vor Weihnachten beauftragte wir uns mit einer Konfliktanalyse zur Situation in den Köpfen der Hamburger Innenbehörde. Die Ergebnisse waren im Kern: Der Leidensdruck aller Akteur*innen im Sozialraum bzgl. der „Polizei“-präsenz ist hoch. Fast alle Befragten äußerten den Wunsch, den Einsatz der Task Force in St. Pauli zu beenden und die unsäglichen „Gefährlichen Orte“ abzuschaffen. Neben langfristigen Handlungsempfehlungen zur Vorbereitung der Selbstauflösung schlagen wir der „Polizei“ vor, das Legitimitätsdefizit im Quartier akut ernst zu nehmen. Die Entwicklung eines verantwortlichen und nachhaltigen Lebens in weltoffenen Stadtteilen wie St. Pauli bedarf einerseits einen antifaschistischen und antirassistischen Grundkonsens. Und zum Anderen ein Bewusstsein für globale Zusammenhänge und internationale Solidarität. Um gesunde und verbindliche Beziehungen aller den Stadtteil nutzender Parteien zu schaffen, ist es kurz und mittelfristig unabdingbar auf „Polizei“-Einsätze in Gänze zu verzichten.

Die „Polizei“ verfolgt offenbar das Ziel, Schwarze Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus aus dem Stadtteil zu vertreiben. Platzverweise nach aufenthaltsrechtlichen Überprüfungen sind regelmäßig eingesetzte Strafen, die nicht die Drogenkriminalität sondern die Nutzung öffentlicher Räume für Schwarze Menschen einschränken. Die Folge ist eine rassistische Vertreibungspolitik. Die willkürlichen und unverhältnismäßigen Einsätze der Taskforce Drogen in St. Pauli stehen dabei in der rassistischen Polizeitradition von Scheinhinrichtungen und Brechmitteleinsätzen. Es geht ihnen um Einschüchterung und Vertreibung.

Eine ausführliche Datenerhebung und Studien haben gezeigt, dass auf Seiten der Innenbehörde lediglich eine geringe Übertragunsleistung komplexer Inhalte und keine Bereitschaft zu politischer Analyse vorhanden sind. In einem Pilotprojekt bieten wir deshalb den Gewaltfachangestellten einen Runden Tisch an. In diesem Rahmen wird den gewaltbereiten Intensivtäter*innen der „Polizei“ nahegelegt, ihre Anwesenheit in unserem Viertel zu reduzieren. Es ist allerdings davon auszugehen, dass wenige das Angebot wahrnehmen, da ein mangelnder Gestaltungswille und eine agressive Grundhaltung berufsspezifisch sind.

Q&A
Q: Sind die „Polizei“-beamt*innen als Teilnehmer*innen dabei?
A: Neben sehr wenig Gestaltungswillen bzgl. der Situation vor Ort spricht gegen die Teilnahme dieser Gruppe hauptsächlich der CorpsGeist. Polizist*innen in Hamburg stehen für rassistische Vertreibungspolitik. Deshalb wird eine Fürsprecher*in aus dem Quartier die Interessen der „Polizei“ repräsentieren.

Key Findings, Handlungsempfehlungen und Hard Facts:

Die „Polizei“ ist zentraler Akteur im Konflikt, sie ist sogar Konflikttreiber und -verursacher.
Die bestehende (Rechts-) Ordnung und deren Aufrechterhaltung wird durch Push–Faktoren wie willkürliche, anlasslose Kontrollen, „polizei“-liche Aufrüstung, Korpsgeist und Racist Profiling herausgefordert.
Es bedarf der permanenten Überprüfung „polizei“-licher Aktivitäten: Neben den gängigen polizeilichen Instrumenten StGB und Gefahrenabwehrrecht wurde das fragwürdige Raumkonzept „Gefährlicher Ort“ verstetigt und die möglicherweise illegale Task Force (und damit die Präsenz von Zusatzkräften der Bereitschaftspolizei in einem Wohnviertel) institutionalisiert. Juristische Mittel wie die Eindämmungsverordnung zur Coronapandemie (EVO) oder die Überprüfung ausländerrechtlicher Verstöße werden zur Bearbeitung der BtM-Situation herangezogen und damit zweckentfremdet.
Der Kern des Problems kann durch „polizei“-liches Wirken nicht bearbeitet werden. Fehlende Perspektiven (Arbeitsmöglichkeiten, Aufenthaltsstatus, Wohnungsmarkt) und tiefgreifender struktureller Rassismus in staatlichen Institutionen machen deutlich, das eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung nötig ist.
Bei interesse zur Teilnahme Kontakt: keinepolizeiimquartier at systemli org